Donnerstag, 26. November 2009

Reisebericht - Sibirienreise

Wie ich im letzten Eintrag bereits beschrieben habe, waren wir von 13.-23. November mit dem Zug von Moskau aus Richtung Sibirien und dem Baikalsee unterwegs. Es war eine beeindruckende Reise, auf der wir viel Verschiedenes gesehen und auch viele verschiedene Menschen kennen gelernt haben. Insgesamt legten wir auf der Hinfahrt zum Baikalsee über 5200 Kilometer zurück und verbrachten 85 Stunden im Zug.

Los ging es am Freitag, den 13. am Abend vom Kazanskyj Bahnhof in Moskau. Es gibt in Moskau nicht wirklich einen Hauptbahnhof, sondern einige kleinere Bahnhöfe, von denen aus die Züge in die verschiedensten Richtungen fahren. Wir fuhren auf der ganzen Reise in der Kategorie „Platzkart“, welche die billigste aber wahrscheinlich auch interessanteste Kategorie ist. 60 Personen sitzen und schlafen in diesen offenen Wagons der Kategorie „Platzkart“. Die anderen Kategorien sind „Koupe“ (4 Personen in einem geschlossenen Abteil) und „Luks“ (2 Personen in einem geschlossenen Abteil).



Bei der Abreise von Moskau, unsere "Platzkart"-Plätze

Als wir uns gerade gemütlich hingesetzt haben, begannen unsere Sitznachbarn ihr „Abendessen“ auszupacken. Da ich von der Vielfalt dieser Mahlzeit so beeindruckt war, fragte ich, ob ich nicht ein Foto davon machen könnte. Darauf sagten sie:“Natürlich, aber nur unter der Bedingung, dass ihr euch nachher zu uns setzt und ordentlich mitesst.“ Also machte ich ein paar Fotos und dann kosteten wir das mitgebrachte Essen unserer Nachbarn, welches von Schnitzel, Speck und Faschierten Laibchen bis hin zu Kartoffel, Gurken und anderem Gemüse reichte. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass unsere Gastgeberin eine Schuldirektorin aus Moskau ist und mit einer Schulklasse und Lehrerkollegen zu einer Exkursion nach Kazan unterwegs ist. Wir verbrachten noch einen lustigen Abend mit russischen Liedern und auch ein paar neue Toasts (Trinksprüche) konnten wir von dieser netten Partie lernen.


Unsere Freunde auf der Fahrt nach Kazan

Am nächsten Morgen kamen wir in Kazan an. Kazan liegt an der Wolga und ist das Zentrum des russischen Islams sowie die Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan. Wir hatten im Vorhinein bereits ein Hostel gebucht. Da dieses aber ziemlich gut in einer Plattenbausiedlung versteckt war, mussten wir zuerst einmal eine Stunde suchen, bis wir dann den richtigen Eingang fanden.


Unser Hostel und der Aufzug zum Zimmer

Wir besichtigten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und am Abend machten wir uns dann in eine Bierbar um sich das Fußball-Relegationsspiel zwischen Russland und Slowenien anzusehen. Zufälligerweise trafen wir dort auf ein paar Österreicher, die auch in Moskau studieren und gemeinsam mit den Russen hofften wir dann auf einen guten Matchausgang für Russland. Den Sonntag verbrachten wir wieder mit Sightseeing und am Abend machten wir uns dann auf zu unserer nächsten Station: Jekaterinburg.


Die Wolga bei Kazan, Kreml von Kazan


Palast des Präsidenten von Tatarstan, Moschee im Kreml


Fußgängerzone im Stadtzentrum, die Moschee bei Nacht



Unsere Bierbar mit Gratisbemalung

Die Reise nach Jekaterinburg war nicht ganz so gemütlich wie jene nach Kazan. Wir teilten unseren Wagon mit Waldarbeitern, die ein halbes Jahr in Sibirien verbracht haben. Interessant waren ihre Essensmanieren, weil sie nämlich in etwa mit denen der Tiger und Löwen, die wir ein paar Tage später in Novosibirsk im Zoo bei der Fütterung sahen, vergleichbar waren. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, erzählte mir einer der Waldarbeiter von seinem Leben: In seiner Heimatstadt Ufa würde er ca. 5000 Rubel (120 Euro) im Monat verdienen und das bei Lebenskosten, die nicht gravierend niedriger als die in Österreich sind. Wenn man wirklich tüchtig arbeite, wären vielleicht 10000 Rubel möglich. Aber wo soll man arbeiten hingehen, fragte er mich. Viele Werke haben aufgrund der Krise geschlossen und die Arbeitslosenrate stieg exorbitant. Darum verbringt er ein halbes Jahr im Wald in Sibirien, wo er immerhin ca. 500€ im Monat verdienen kann. Dafür arbeiten sie dort auch ca. 10 Stunden am Tag und 6 Tage in der Woche.

Unser Waldarbeiter aus Sibirien, eine "Prowodniza" = Zugbegleiterin

Wir kamen zu Mittag in Jekaterinburg an und schauten uns am Nachmittag die wichtigsten Bauwerke sowie Restaurants und Bars zum Aufwärmen an. In einem dieser Restaurants waren wir ziemlich überrascht: gab es doch tatsächlich Glühwein. Das weckte wieder ein paar Heimatgefühle und die Sehnsucht nach einem Punsch auf einem Weihnachtsmarkt. Am Abend ging es dann weiter auf die dritte, ca. 24-stündige Etappe nach Novosibirsk.


Bahnhof und Oper in Jekaterinburg


Die Kathedrale des Bluts und ein guter Glühwein in Asien

Am Dienstagabend kamen wir in Novosibirsk an und mussten uns zuerst einmal ein Quartier suchen, weil wir im Vorhinein nichts gebucht haben. Wir hatten aber Glück und fanden direkt am Bahnhof ein einigermaßen günstiges und vor allem sauberes Quartier mit ordentlichem WC und Dusche. Der Bahnhof in Novosibirsk ist übrigens der größte in Russland und hat die Form einer großen Lokomotive. Am nächsten Tag spazierten wir ein wenig durch Novosibirsk, schauten uns u.a. die Oper an und gingen am Nachmittag in den Zoo. Natürlich waren schon Teile davon geschlossen, aber wir konnten trotzdem einen „Liger“, eine Mischung aus Löwe und Tiger, und viele andere Tiere sehen.



Bahnhof und Zoopark mit einem "Liger"

Am Abend starteten wir unsere letzte Etappe – 33 Stunden durchgehend von Novosibirsk nach Irkutsk. Die Fahrt war eigentlich wieder relativ angenehm, bis auf einen Sitznachbarn der ungefähr mit einer Lautstärke von vermutlich über 100 Dezibel schnarchte. Dafür war er aber am Tag ganz ruhig.


Aufnahmen während der Fahrt

Als wir am Freitag in Irkutsk ankamen, fuhren wir vom Busbahnhof aus Richtung Olchon Insel, deren Ureinwohner die Burjaten sind. Die Fahrt dauerte ca. 6 Stunden, u.a. auch deshalb weil der letzte Teil der Straßen nicht mehr asphaltiert ist und daher ziemlich holprig ist. Dafür entschädigte die Landschaft auf den Olchon Inseln für die mühsame Anfahrt. Riesigen Spaß machte auch das Herum klettern auf den eisbedeckten Steinen im See. Solange bis wir fast hinein gefallen wären;)


Anlegestelle der Fähre am bereits teilweise zugefrorenen Baikalsee




Landschaft auf Olchon und herum klettern auf den vereisten Steinen

Untergebracht waren wir bei Nikita in einem kleinen Dorf namens „Chushir“. Nikita ist so ziemlich die bekannteste Herberge auf Olchon, er startete vor einigen Jahren und hat mittlerweile schon einige Holzhütten und traditionelle mongolische Jurten in denen er Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen anbietet. Für 25€ bekommt man zusätzlich noch Frühstück, Mittagessen und Abendessen und das ganze war wirklich ausgezeichnet. Meistens gibt es Fisch und einfache Gerichte, aber es war wirklich alles köstlich zubereitet. Außerdem kann man die Sauna gratis benützen. Wir haben dieses Angebot natürlich gleich ausgenützt und als wir schön langsam zum Schwitzen begonnen haben, fiel plötzlich der Strom aus. Irgendwie haben wir aber trotzdem wir nichts sahen zum Ausgang gefunden und nach etwa 15 Minuten funktionierte die Stromversorgung wieder. Das Warmwasser in der Sauna haben wir auch zum Duschen verwendet, weil es in diesem Ort noch immer kein fließendes Wasser gibt. Dafür gibt es 3 Handymasten und seit 2005 Strom.



Das Dorf Chushir, unsere Unterkunft und auf dem Weg zur Sauna

Nach 2 Nächten auf Olchon fuhren wir wieder zurück nach Irkutsk und sahen uns diese Stadt noch an. Am Montag ging es schließlich von dort aus mit einem 6-Stunden Flug wieder zurück nach Moskau.


Irkutsk bei -16°


Die Angara (der einzige Abfluss des Baikalsee), Flughafen


Müde von der Reise

Es war eine wirklich abwechslungsreiche Reise, auf der wir auch den Unterschied zum Leben in Moskau gut beobachten konnten. Die endlosen Weiten der Taiga, durch die man stundenlang mit dem Zug hindurch fährt und nur selten ein kleines Dörfchen sieht. Dann wieder die großen Städte in Sibirien mit den großen Flüssen wie Jenissej, Ob oder Angara. Und am meisten beeindruckten die großen Distanzen: trotzdem wir bereits 5000 Kilometer unterwegs waren, braucht es noch einmal fast dasselbe um das andere Ende dieses Landes zu erreichen.

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